Abenteuer Westhighland Way

Spontan habe ich einem Freund vor ein paar Wochen zugesagt, mit ihm im Herbst eine Woche «Abenteuerferien» zu verbringen. Die Destination war zum Zeitpunkt der Zusage noch unklar.

Ende August machten wir uns an die Planung. Es war klar, dass wir uns aktiv und zu Fuss bewegen wollten. Nach einigen oberflächlichen Internetrecherchen entschieden wir uns für den Westhighland Way in Schottland. Er wird als anspruchsvoller Fernwanderweg angepriesen. 154km (96 miles) zu Fuss in den wilden schottischen Highlands von Milngavie nach Fort William – das tönte nach Abenteuer! Aufgrund der relativ kurzen Vorbereitungszeit und aus mangelndem Interesse an der selbständigen Suche nach Unterkünften entschieden wir uns für ein Komplettpaket eines Anbieters. Die Unterkünfte und der Gepäcktransfer waren darin inbegriffen. Den Flug nach Edinburgh und den Bahn-/ Bustransfer nach Milngavie bzw. von Fort William nach Edinburgh buchten wir selber. Den Westhighland Way kann man in verschiedenen Etappenlängen absolvieren. Wir hatten sechs Tage Zeit und haben deshalb den Teil von Inverarnan (Ardlui) nach Tyndrum (Bridge of Orchy) übersprungen.

1. Etappe: Milngavie – Drymen
Der Start zur ersten Etappe war Milngavie, ein Vorort von Glasgow. Dort haben wir die erste Nacht verbracht und uns mit etwas Proviant für die ersten Etappen versorgt. Am Anfang verläuft der Westhighland Way relativ flach durch eine ländliche Gegend. Bald schon sieht man nur noch einzlene Häuser und kleinere Siedlungen. Etwa in der Hälfte der Tagesdistanz liegt die Glengoyne Whiskey Destillerie. Dort machten wir einen Zwischenstopp und konnten einen 10- und einen 18-jährigen Single Malt degustieren.
Die zweite Hälfte der Strecke verlief dann stellenweise entlang von und auf (Land-)Strassen. Der erste Teil war somit etwas schöner und angehmer zu wandern.
Wir erreichten Drymen und unsere erste Unterkunft unterwegs nach 21.9km und 4.5h Wanderzeit. Das Wetter an diesem ersten Tag war recht angenehm. Leider versprach die Wetterprognose für die nächsten Tage nicht besonders gute Aussichten. Verpflegt haben wir uns am Abend sehr gut im The Clachan. Es ist das älteste, seit 1734 lizenzierte Pub in Schottland.

2. Etappe: Drymen – Rowardennan
Der zweite Tag begann (wie absehbar) mit Regen. Auf dem Programm stand heute der Conic Hill. Der Weg dorthin zeigte sich als angenehm zu begehen und führte zuerst durch Wälder und dann durch sanfte Hügellandschaften. Ein erster Vorgeschmack auf die Highlands war erkennbar. Der Aufstieg auf den Conic Hill war relativ einfach. Oben angekommen war es sehr windig und kühl. Trotz schöner Aussicht auf den Loch Lomond verweilten wir nur kurz und machten uns an den steilen Abstieg nach Balhama. Dort begann es dann in Strömen zu regnen und wir machten eine kurze Rast. Anschliessend verlief der Westhighland Way vorwiegend am Ufer des Loch Lomond. Es war ein stetiges Auf und Ab mit teilweise giftigen Anstiegen. Kurz nach der Ankunft im Hotel Rowardennan lichteten sich die Wolken und der blaue Himmel schien durch. Es reichte um kurz auf der Terrasse des Pubs ein Pint zu trinken. Danach begann es wieder zu Regnen, so dass wir uns in das «The Clansman» zurückzogen.
Am zweiten Tag legten wir 23.8km in 5.25h zurück.

3. Etappe: Rowardennan – Inverarnan (Ardlui)
Die heutige Etappe verlief wieder grösstenteils dem Loch Lomond entlang. Allerdings hatten wir dabei nicht immer Blick auf den See.
Das Wetter war anfangs noch ziemlich gut, doch mit der Zeit setzte Dauerregen ein. Den letzten Abschnitt mussten wir heute mit der Fähre nach Ardlui zurücklegen. Während der Wanderung realisierten wir, dass wir die Fähre um 13h00 nicht erreichen würden. Daher drosselten wir das Tempo damit wir nicht zu lange im Regen auf die Fähre um 15h00 warten mussten. Bei der Fährstation angekommen hissten wir die Boje als Zeichen dafür, dass wir abgeholt werden wollten und versuchten uns soweit möglich trocken und warm zu halten. Wir waren dann froh als uns die Fähre pünktlich abgeholt hat. Im Ardlui Hotel vebrachten wir den Abend und die Nacht. Auch hier, war wie bereits zuvor, die Verpflegung tiptop. Einziger Nachteil: das Doppelzimmer standard war für uns, das Gepäck und die nassen Sachen etwas klein. Das Wetter war heute teilweise so garstig, dass auch das GPS irgendwann den Geist aufgab. Es zeichnete 15.6km und 3.38h auf. Es dürften aber noch rund 3-4km dazugekommen sein.

4. Etappe: Ardlui (Inverarnan) – Kingshouse
Den ersten Teil der heutigen Strecke legten wir mit dem Taxi zurück. Das war dem Umstand geschuldet, dass wir nur sechs Wandertage zur Verfügung hatten und so einen Teil des Westhighland Ways überspringen mussten ohne Etappen über 30km bewältigen zu müssen. Das Taxi war pünktlich und brachte uns nach Bridge of Orchy. Von da an stieg der Westhighland Way an und führte uns durch Wälder und weite Moorlandschaften. Nun stellte sich das «Highland-Feeling» langsam ein. Es war auch heute wieder regnerisch. Im Moor entlang des Weges konnten wir im strömenden Regen einige Hirsche ausmachen. Wegen dem garstigen Wetter verzichteten wir auf eine längere Beobachtung der Tiere. Im Oktober ist übrigens Jagdsaison in den Highlands und die Hirsche stehen auf der Abschussliste. Es kam uns dann auch gleich ein Land Rover mit einem Sumpfbuggy auf dem Anhänger entgegen. Weiter oben stand dann ein weiterer Land Rover mit entsprechendem Gerät.
Auf einem der wahrscheinlich eindrücklichsten Abschnitte des Westhighland Ways blieb uns wegen dem teilweise peitschenden Regen leider nicht viel Musse die Aussicht zu geniessen.
So waren wir dann nicht unglücklich über die Ankunft im komfortablem Kingshouse Hotel.
Am heutigen Tag legten wir 19.5km in knapp 4h zurück.

5. Etappe: Kingshouse – Kinlochleven
Der bereits zweitletzte Abschnitt führte uns über den Devil’s Staircase auf den mit etwas über 500m.ü.M. höchsten Punkt des Westhighland Way. Die Höhenangaben der Hügel und Berge täuscht uns Schweizer vermutlich etwas. Im Gegensatz zu der Schweiz ist die Grundhöhe in Schottland relativ nahe der Meeresoberfläche also so zwischen 10 und 25m.ü.M. Die schottischen Hügel und Berge sind trotz der vermeindlich geringen Höhe sehr imposant und massiv.
Dieser Abschnitt war eher etwas kürzer und so starteten wir etwas später damit wir nicht zu früh in Kinlochleven ankamen. Mit etwas Respekt wanderten wir dem Devil’s Staircase entgegen. Kurz vor dem Aufstieg wollten wir uns der Regenhosen entledigen. Aber noch während dem Versuch begann es wieder zu regnen und wir liessen die Regenhosen an. So ist es, das schottische Wetter. Der Devil’s Staircase ist gut zu begehen. Einzelne Passagen erfordern bei Regen etwas Vorsicht damit man nicht ausrutscht. Der Weg ist aber nicht ausgesetzt und auch nicht besonders Steil. Auf dem Weg nach oben hörten wir im Tal noch Hirsche röhren. Gesehen haben wir sie allerdings nicht. Die Gegend um Kingshouse hat mir am besten gefallen. Es ist dort wild, abgelegen und es erheben sich einige eindrüchliche Munros. In Schottland werden Berge die Höher als 3000ft (914m) Munro genannt. Der höchste ist der Ben Nevis mit 1345m. Den sollten wir dann auf der letzten Etappe vor Fort William noch sehen. Nach dem Devil’s Staircase verlief der Weg entlang des alten Militärweges und war gut zu gehen. Allerdings mussten wir vor Kinlochleven die Höhe wieder «vernichten» und der Abstieg auf der Forststrasse ging in die Beine. In Kinlochleven füllten wir soweit nötig die Vorräte auf. Das obligate Pint nahmen wir im Tailrace Inn zu uns. Begleitet von einem «Fried Chicken Burger». Am heutigen Tag legten wir 14.2km in 3h19M zurück.

6. Etappe: Kinlochleven – Fort William
Vor der letzten Etappe hatte ich etwas Respekt weil mein rechtes Schienbein am Tag zuvor zu schmerzen begann. Die Belastung der zurückgelegten Kilometer machte sich langsam bemerkbar. Konditionell war die Strecke bis dahin nicht besonders anspruchsvoll. Das Marschieren in den Wanderschuhen und das Gewicht des Rucksacks machte sich aber langsam aber sicher bemerkbar. Mir ist nun auch klar, warum wir in der Infanterie-RS nicht bereits in der ersten Woche den 40km-Lauf absolviert haben;-)
Zum Start gab es nochmals einen Anstieg zu bewältigen. Anschliessend konnten wir die Höhe ungefähr halten. Wegen des (Dauer)Regens war der Weg öfters stark unter Wasser und es mussten kurze Ausweichrouten gefunden werden damit die Füsse (trotz wasserdichten Schuhen) trocken blieben. Diese letzte Etappe zog sich hin. Die Schienbeine schmerzten immer mehr und es wurde zunehmends anstrengender. Das anhaltend regnerische Wetter trug auch seinen Teil dazu bei. So waren wir froh, das Endziel bald vor Augen zu haben. Kurz vor Fort William konnten wir den Ben Nevis sehen. Dieser war allerdings von einer Wolkendecke umhüllt (alte schottische Bauernregel: hat der Ben einen Hut, so wird das Wetter wahrscheinlich gut..). Die Höhe die wir zuvor gewonnen hatten mussten wir natürlich wieder «ds Bode bringe». Der Abstieg auf der breiten Forststrasse zog sich in die Länge. Auch wegen der Gewissheit, dass der allerletzte Abschnitt entlang der Strasse zu absolvieren war.
Wir erreichten (endlich) Fort William. Unsere Unterkunft war etwas ausserhalb, was uns einen extra km einbrachte. Diese letzte Etappe war 26.2km lang und wir legten diese in 5h48Min zurück. Pausen machten wir wenige und nur kurze. Dies hatte sich während der Woche bereits bewährt. Nach der Dusche in der Unterkunft gingen wir zurück in die Fussgängerzone und deckten uns noch mit Souvenirs ein. Abendessen gab es im Pub «Ben Nevis». Den Absacker in der Black Isle Bar mit 20 verschiedenen Craft Bieren ab Fass…

Ich würde sofort wieder auf den Westhighland Way aufbrechen. Es hat trotz des praktisch anhaltenden Regens grossen Spass gemacht! Die Landschaft ist beeindruckend. Die Leute sind freundlich und das Essen war in unserem Fall immer gut bis sehr gut.
Die Fotos wurden alle mit dem iPhone gemacht. Ich hatte eine Lumix Kompaktkamera dabei die aber wegen dem Regen immer im Rucksack blieb.
Wer die zurückgelegten Kilomter und die Zeiten betrachtet, stellt fest, dass wir eine relativ Hohe Geschwindigkeit hatten. Wir haben unterwegs viele Wanderer überholt und wurden selber nur selten überholt. Das Tempo war für uns angenehm. Die Kadenz stimmte. Evtl. würde ich die ersten Etappen beim nächsten Mal etwas gemächlicher angehen um den Körper besser an die stetige Belastung zu gewöhnen.
Die Rückreise mit dem Citylink Bus war angenehmer als erwartet und bot einen wehmütigen Blick auf die zurückgelegten Kilometer. Teilweise taten sich auch neue Aussichten auf, was dem «Abenteuer» einen runden Abschluss gewährte.

Haste ye back!